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Medizin

Sind Cannabis und ADHS gute Teamplayer?

Ein gemalter weißer Kopf auf blauen Hintergrund, aus dem bunte Bänder heraus kommen. Das Wort ADHS steht in bunter Farbe daneben. Sind Cannabis und ADHS Teamplayer?

Inhaltsverzeichnis

Mila Grün

Mila Grün Chefredakteurin der Cannabibliothek

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ADHS wurde lange Zeit als typische Kinder- und Jugendkrankheit eingestuft. Mittlerweile ist aber klar, dass auch einige Erwachsene von der Krankheit betroffen sind. Die Beschwerden der Erwachsenen wurden bisher nicht als ADHS, sondern als andere psychische Erkrankungen, wie Depressionen, diagnostiziert. Die Behandlung von ADHS erfolgt meistens mit starken Medikamenten, die einige Nebenwirkungen hervorrufen können. Betroffene haben die Hoffnung, mit Alternativen, wie Cannabis, ihr Leiden sanft behandeln zu können. Die Frage ist, ob ADHS überhaupt mit medizinischem Cannabis behandelt werden kann? Sind Cannabis und ADHS gute Teamplayer?

In diesem Beitrag erfährst du, was ADHS ist, wie es sich bei den Betroffenen auswirkt und ob diese Erkrankung mit Cannabis behandelt werden kann.

Was ist ADHS?

ADHS ist die Abkürzung für das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom und ist eine psychische Krankheit bzw. Störung.

Lange Zeit wurde ADHS nur bei Kindern und Jugendlichen diagnostiziert, doch diese Annahme ist schon längst überholt. Ca. 2-3 % aller Kinder in Deutschland und 4,5 % aller Erwachsener, leiden an ADHS. Die Krankheit kann eine schwere Belastung für die Betroffenen und auch für ihr Umfeld sein.

Die Auslöser

Wovon ADHS tatsächlich ausgelöst wird, ist heutzutage noch nicht zu 100 % geklärt, Betroffene haben aber auf jeden Fall eine vererbte Veranlagung. Diese Veranlagung kommt oft dann zum Vorschein, wenn ein extremer Druck von außen herrscht, die betroffene Person ständig mit Reizen überflutet wird, die Krankheit falsch oder gar nicht behandelt wird, weil sie unentdeckt bleibt oder auch, wenn die Mutter während der Schwangerschaft Drogen konsumiert hat.

ADHS tritt meist im Kinder- und Jugendalter auf und kann sich aber bis ins Erwachsenenalter fortziehen. Die Krankheit gilt derzeit als nicht heilbar, aber mit den richtigen Therapien, können ADHS-Patienten gut mit den Symptomen der Erkrankung leben.

Was passiert im Körper?

Neurotransmitter
Neurotransmitter

Vereinfacht gesagt, haben ADHS Patienten einen Mangel an den Botenstoffen, den Neurotransmittern, Dopamin, Noradrenalin und Serotonin. Vor allem Dopamin und Noradrenalin stehen in nicht ausreichender Menge zur Verfügung. Durch diesen Mangel können die Nervenenden nicht richtig miteinander kommunizieren und es kommt zu Störungen. Außerdem ist bei vielen ADHS Patienten zu verschiedenen Tageszeiten und unter bestimmen Bedingungen (Stress, Druck, Hilflosigkeit) der Cortisol Spiegel zu hoch. Cortisol ist ein Stresshormon und fördert zudem den Abbau von Serotonin, sodass der Serotoninwert deutlich zu gering ist. Der Wert des Noradrenalin ist dann hingegen überhöht.

Dieser ganze Vorgang führt zu einem großen Hormon- und Botenstoff-Ungleichgewicht und zu folgenden Symptomen:

  • Hyperaktivität
  • Impulsivität
  • geringe Impulskontrolle
  • Konzentrationsstörungen
  • innere Unruhe
  • Zerstreutheit

Gehirn-Scans von ADHS Patienten belegen, dass in den Regionen des Gehirns, die für die Aufmerksamkeit zuständig sind, die Glucose Aufnahme verringert ist, was auf einen niedrigen Aktivitätslevel schließen lässt. Von ADHS betroffene Patienten haben zusätzlich ein erhöhtes Risiko, suchtkrank zu sein. Viele Jugendliche, die an ADHS leiden, haben eine Alkohol-, Cannabis oder Amphetaminsucht.

Die verschiedenen Typen von ADHS

Es werden grundsätzlich drei Typen von ADHS unterschieden

  • den hauptsächlich unaufmerksamen Typ
  • den hauptsächlich hyperaktiven-impulsiven Typ
  • den kombinierten Typ

Das Auftreten der Symptome und deren Häufigkeit und Gewicht, ist bei jedem Typen, ja sogar bei jedem*r Patienten*in unterschiedlich. Ca. 1/3, mit ADHS erkrankten Personen, zeigen beispielsweise keine Hyperaktivität auf. Da die Krankheit sowohl komplex als auch individuell ist, muss auf jeden Patienten die Behandlung genauestens angepasst werden.

Behandlungsmöglichkeiten von ADHS

Eine kognitive Verhaltenstherapie, sowie viel sportliche Bewegung und eine spezielle Ernährung sind begleitende, Erfolg versprechende Behandlungen, obwohl bei ADHS sehr häufig Medikamente wie Methylphenidat, Atomoxetin, Dexamphetamin, Lisdexamfetamin und Guanfacin zum Einsatz kommen. Diese wirken zwar gut und ermöglichen den Betroffenen den Alltag zu bewältigen und aktiv am Leben teilzunehmen, doch sie bringen auch schwerwiegende Nebenwirkungen mit sich, wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit, Appetitminderung, Schlafstörungen usw. Es kann sogar eine komplette Wesensveränderung stattfinden.

Wenn das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom unbehandelt bleibt, können die betroffenen Personen oft keinen Beruf ausüben, sind unfähig soziale Kontakte zu pflegen und sie sind mit dem „normalen Alltag“ überfordert, da sie sich selbst nicht organisieren können. Schon die alltäglichen Aufgaben überfordern sie komplett. Ein ADHS Patienten beschrieb mir seine Erkrankung als ständiges Feuerwerk im Gehirn.

ADHS als Stärke sehen

Dass ADHS als Störung und Erkrankung angesehen wird, liegt ausschließlich an unserer strukturierten, strengen und leider oft sehr unflexiblen Gesellschaft, in die die Betroffenen mit ihren Symptomen nicht hineinpassen. Sie sind zu laut, zu viel, es ist schlecht, dass sie sich nicht konzentrieren können, denn das wird in der Schule und in der Arbeit verlangt. Würden wir nach wie vor in unseren Urvölkern leben, wären ADHS Betroffene wahrscheinlich wichtig für uns und unser Überleben, denn sie sind mutig, kreativ, emotional, ehrlich, begeisterungsfähig und sehr hilfsbereit.

Das Positive an ADHS

Eine Frau mit bunten Luftballoons vor einem blauen Hintergrund
Luftballons

ADHS Betroffene haben oft einen flexiblen und brillanten Verstand, der es ihnen ermöglicht vielschichtig und umständlich zu denken. Sie können es nicht verstehen, wenn andere ihren Gedanken nicht folgen können und das Gesagte nicht verstehen. Außerdem haben ADHS Patienten einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Sie sind teilweise überdurchschnittlich intelligent, können aber ihr Potenzial nicht nutzen. Unter den ADHS Betroffenen finden sich viele Hochbegabte. Menschen mit ADHS hinterfragen alles, sind begeisterungsfähig und können somit das Leben ihrer Mitmenschen bereichern.

Das ADHS als eine Persönlichkeitsvariante, hat viele gute Seiten, von denen man umso mehr profitieren kann, je besser das Selbstwertgefühl und die sozialen Kompetenzen entwickelt sind. Menschen mit einer ausgeprägten ADHS-Problematik sollten deshalb so früh wie möglich erkannt werden, damit sie in ihrer Eigenheit gefördert werden können. Ein strukturierter Alltag ist notwendig für Betroffene ADHS Patienten, das gibt ihnen Verhaltenssicherheit.

Cannabis und ADHS

Die Studienlage

Die Studienlage zur Verwendung von Cannabis bei ADHS ist derzeit sehr gering und wenig aussagekräftig. Es gab eine doppelblind Studie in England, die in einer Kontrollgruppe an 30 Personen, eine Cannabis-Fertigarznei, das Mundspray Sativex® getestet hat. Die eine Hälfte der Teilnehmer*innen bekam das Mundspray, die andere Hälfte ein Placebo. Tatsächlich gab es bei der Gruppe, die das medizinische Cannabis erhielt, eine Besserung der Symptome, doch die Studie ist zu klein, als dass man sich auf das Ergebnis stützen könnte. Es müsste eine oder mehrere große Studien geben, die die Wirksamkeit von Cannabis bei ADHS belegen können.

Derzeit wird Cannabis bei ADHS tatsächlich von vielen Medizinern nicht empfohlen, da es nur moderat wirksam ist, im Gegensatz zu den verschreibungspflichtigen Medikamenten. Doch das ist nur eine Empfehlung, da es zu wenig Forschung zu diesem Thema gibt. Die Behandlung mit Cannabis bei ADHS entstand erst in den letzten zehn Jahren als Alternativ- und Begleittherapie zu verschiedenen Stimulanzen und Antidepressiva.

 Die Forschung schreitet voran

Die Forschung findet derzeit immer mehr über das Endocannabinoidsystem und die Regulierung der Neurotransmitter -Freigabe im Gehirn heraus. Daher wird es wohl in naher Zukunft eine optimal angepasste Cannabinoid-Arznei für ADHS Patient*innen geben. Denn, die Dopamin-Rezeptoren interagieren in einigen Gehirnteilen eng mit den Endocannabinoid-Rezeptoren. Viele Cannabinoid-Rezeptoren finden sich auch im limbischen System des Gehirns, die eng mit dem Aufmerksamkeitsdefizit und vielen anderen neuropsychiatrischen Störungen, wie Ängste und Phobien in Verbindung stehen.

 

Medizinisches Cannabis bei ADHS einsetzen

medizinisches Cannabis- ein Cannabisblatt erstrahlt im Licht.
medizinisches Cannabis

Bestimmte Cannabissorten wirken beruhigend, konzentrationsfördernd und helfen zu fokussieren. Das sind Eigenschaften, die ADHS Patienten oft gut gebrauchen könnten. Doch es ist absolut nicht empfehlenswert, Selbstexperimente mit Cannabis durchzuführen. Denn, Cannabis und auch medizinisches Cannabis kann mit den verschreibungspflichtigen Medikamenten zu einer extremen Nebenwirkung oder Kontraindikation führen. Daher sollte eine cannabisbasierte Therapie immer unter Absprache mit einem*r Arzt*Ärztin erfolgen.

Die Hoffnung ist, dass Cannabinoid-Medikamente so designt werden können, dass sie gezielt das Endocannabinoidsystem ansprechen und somit die Symptome von ADHS lindern können. Das wäre von enormem Vorteil für die Patient*innen, da medizinisches Cannabis kaum Nebenwirkungen mit sich bringt und nicht abhängig macht.

Geeignete Sorten

THC-Züchtungen mit hohen Pinen- und Terpinolen-Spiegel, aber niedrigem Mycren-Gehalt. Bei Hyperaktivität können niedrige Dosierungen von Mycren- und Linalool-dominanten Cannabissorten von medizinischem Wert sein, weil sie beruhigend wirken. Sorten mit einem sehr hohen CBD Gehalt können ebenfalls von großem Interesse sein, dass sie die Konzentration fördern und den Kopf frei machen.

Der Lebensretter Cannabis bei ADHS

Doch trotzdem hat man in dem Bereich große Hoffnungen, da es bereits einige Geschichten von schwer kranken ADHS Patienten gibt, die nur alleine durch die Einnahme von Cannabis, ein normales Leben führen können. Ein wirklich ergreifendes Beispiel dafür, wie wirksam Cannabis als Medikament ist, liefert Florian Regano im Planty Reasons Podcast. Neben seiner traumatischen Kindheit bekam er als weiteres Lebenslaster die Diagnose ADHS. Er war lange Zeit in Therapie und hat einige Medikamente ausprobiert, die allesamt nicht die Wirkung erzielt haben, die wünschenswert gewesen wäre. Seine Zukunft war bereits aussichts- und orientierungslos. Bis er auf Cannabis gestoßen ist.

Hör dir die bewegende Geschichte dieses jungen Mannes an, dem Cannabis als Medikament das Leben erleichtert und lebenswerter macht. 

 

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Quellen Michael Backes Cannabis als Medizin, Oktober 2021, 2 Auflage, Kopp Verlag; https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/a-0979-0610; https://adhs20plus.ch/adhs-bei-erwachsenen/ https://www.nowomed.com/de/medizinisches-cannabis/adhs-arzt/